Interview

HOOLYWOOD

Seit Jahren findet ihr bei uns im Heft regelmäßig eine Anzeige der Marke „Hoolywood“. Es ist Zeit etwas genauer hinter die Kulissen zu schauen. Einblicke gibt uns Inhaber Sven Friedrich, der Rede und Antwort stand über die Marke, die Entwicklung des Bewusstseins für Kleidung in der Szene und den eigenen Laden.

Hallo Sven. Seit Jahren springt dem Leser immer auch ein großes „Hoolywood“ in die Augen, wenn sie die EF durchblättern. Drehen wir mal den Zeiger zurück. Wie kam die Idee, ein Label mit solch einer Wortkombination ins Leben zu rufen. Natürlich interessiert uns dabei auch der Bezug von Hooligans und Hollywood.

Wir wuchsen eingebettet in einem sozialistischen System in der damaligen DDR auf. Natürlich versuchten wir auch in unserer Jugend zu rebellieren und uns gegen dieses System aufzulehnen. Das System und insbesondere die „Allzweckwaffe“ des SED-Regimes das MfS (Ministerium für Staatssicherheit) zwang uns dabei etwas kreativer zu sein.

Eine große Rolle spielte dabei der Fußball. Hier bot sich die fast einmalige Chance, unter den Augen der Staatsmacht das Verbot der Zusammenrottung auszuhebeln und gemeinsam Aktionen zu planen, Erfahrungen auszutauschen oder einfach nur ein erlebnisreiches Wochenende zu organisieren. Ein Fußballspiel wurde so zu einem Treffen Gleichgesinnter und das Stadion zum Versammlungsort. Nach und nach verstanden wir es, die Grenzen des sozialistischen Systems zu übertreten und den Staat mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen. Wir legten die allgemein übliche Fankluft ab und achteten mehr auf unser Outfit. Nun waren wir außerhalb des Stadions nur noch für Insider erkennbar und ließen jedes Wochenende „unseren eigenen Film“ ablaufen. Das gab uns ein Gefühl von Freiheit und Unbezwingbarkeit, das wir auch nach dem Zerfall der DDR über die Wende retten wollten.

Die Bekleidung spielte schon damals eine maßgebliche Rolle in unserem Leben. So gründeten wir 1991 das Label HOOLYWOOD. Zusammengesetzt aus den Worten HOOLIGAN und HOLLYWOOD beinhaltet dieses Wortspiel die für uns so wichtige Suche nach einer Freiheit, die es wohl bald nur noch in alten Filmen zu bewundern gibt. Waren wir in der DDR noch Rowdys, wurden wir nun immer öfter als HOOLIGANS bezeichnet und da Provokation in der heutigen Zeit ein wesentlicher Bestandteil der Jugendkultur ist, machten wir es zu einem Bestandteil unserer Marke. HOLLYWOOD sollte eben diesen „Film“ beinhalten, den wir für uns ablaufen ließen, um aus der Enge der Realität in eine Welt ohne Zwänge und Kompromisse auszubrechen.

Der Kleidungsstil spielte also damals schon eine große Rolle. Was waren denn in den 80ern und 90ern die angesagten Marken? Zu Zonenzeiten kam man in Berlin ja nicht nur an Bananen, sondern auch an West-Klamotten viel eher ran, als z.B. in anderen Ost-Städten… das hat sicher bei der Entwicklung eine Rolle gespielt?!

Der Kleidungsstil lehnte sich natürlich an den Vorbildern aus dem Westen an. Nur war auch hier Kreativität gefragt. Hatte man keine Westverwandschaft mussten schon mal normale Arbeitschuhe als Dr.Martensersatz herhalten. Ob wir an Westklamotten eher in Berlin rankamen, kann ich nicht unbedingt bestätigen. In der Jugendmode (ein Geschäft das angeblich Bekleidung für Jugendliche verkaufte) gab es eine Zeit lang Levis. Aber auch diese mehr „unter dem Ladentisch“ als über. Mehr ist mir nicht bekannt. Wie erwähnt hing es hauptsächlich davon ab, ob man Westverwandte hatte. Wir hatten in Berlin auf alle Fälle den Vorteil, dass wir Westfernsehen empfangen konnten und so unsere Vorbilder in der Flimmerkiste sehen konnten. Bomberjacken (oder Jacken die diesen ähnelten), „Domestos-Jeans“(Niethosen wie wir es früher nannten – heute Jeans- die mit Domestos aus dem Intershop gebleicht wurden) Springerstiefel oder Arbeitsstiefel und „Turnschuhe“ (heute als Sneakers bezeichnet) waren bei uns zu dieser Zeit das bestimmende Outfit.

Dann hast du einen Laden in Berlin eröffnet. Die Erfüllung eines kleinen Traums, endlich deine eigene Marke und andere ausgewählte Marken anzubieten?

Nach der Maueröffnung liefen wir alle orientierungslos durch West-Berlin auf der Suche nach Dr.Martens, Fred Perry Poloshirts und New Balance Sportschuhe. Wir waren sozusagen vom „Markenvirus“ infiziert. In dieser Zeit kam mir die Idee, einen Laden im Ostteil der Stadt zu eröffnen und all die Dinge, die wir jetzt suchten zusammen in einem Geschäft anzubieten. Für diese Idee borgte ich mir Kohle wo es nur ging und eröffnete 1991 den ersten HOOLYWOOD-Shop in der Nähe unseres damaligen Kiezes in Berlin-Mitte.

Als langer Begleiter der BFC-Szene interessiert mich, welche Veränderungen du in Bezug auf den Kleidungsstil wahrnimmst. Wann waren in deinen Augen Umbrüche wahrzunehmen?

Die Veränderungen im Kleidungsstil gingen eigentlich mit der Mode. Allerdings glaube ich, dass die Fußballszene oft Vorreiter eines ganz besonderen Stils waren, die später von der breiten Masse übernommen wurden. Das war nicht nur bei den Klamotten, sondern auch bspw. bei der Musik so. Die Geburt des Techno erlebte ich in Berlin fast ausschließlich in bzw. mit der Fußballszene. Und danach richtete sich dann auch unserer Kleidungsstil.

In unseren Augen positiv ist euer Statement „Antirassistisch“ zu sein. Ein dir wichtiger Punkt, gerade in Bezug auf Kleidungsmarken, die früher gerne von der rechten Szene getragen wurden?

Dieses Statement „Antirassistisch“ zu sein war für uns ein wichtiger Punkt. Die Spaltung der Skinhead- und Hooliganszene ging auch an uns nicht spurlos vorbei. Hatten wir damals das sozialistische System auch mit Parolen aus dem rechten Spektrum provoziert – es wäre ja irgendwie unsinnig gewesen zur damaligen Zeit „Rot Front“ zu skandieren – viel es uns heute oft auf die Füße. Plötzlich wurden alle Marken die wir liebten, der rechten Szene zugeordnet. Noch heute existieren Internetseiten, die einem die Marken bestimmter Textilien verraten, an denen man angeblich erkennt ob mein Kind oder Schüler rechtsradikal ist. Und jedes Sommerloch im Pressehimmel füllt noch heute ein NSDA von Lonsdale. So verkaufen wir alle Marken mit der dazugehörigen Geschichte. Unsere Mitarbeiter sind dahingehend geschult Auskunft zu geben, woher die Marken kommen und warum sie Teil der Jugendkultur wurden.

Zum Abschluss. Wo findet man deinen Laden in Berlin? Und was erwartet die Interessierten?

Unser Angebot umfasst Marken wie ALPHA IND. DR.MARTENS, SOLOVAIR, FRED PERRY, LONSDALE, HOOLYWOOD und andere. Ausserdem bieten wir Klassiker an, wie das Harrington Jacket (für 35.-€!), das Donky Jacket, den Cromby und Windbreaker in diversen Farben und Formen, sowie Ninja Sweatshirts, div. Accessoires wie Braces (klassische Hosenträger) und „Anglerhüte“. Wir heißen jeden! Fan (s)eines Vereins bei uns willkommen und freuen uns auf jeden Erfahrungsaustausch und interessante Gespräche. Fangruppen können sich mit einem Aufkleber bei uns verewigen, was nicht zuletzt dazu Beiträgt einen gewissen Zusammenhalt, in Zeiten des „modernen“ Fußball, geprägt durch Kommerz und Werbung zwischen den Fans zu erreichen. Und wer weiß vielleicht klebt auch bald von euch ein Sticker auf unserer Galerie.